Recht von A bis Z

Medizinische Laientätigkeit und Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Lehrpersonen

  • In den Schulen sind Lehrkräfte immer häufiger damit konfrontiert, dass Schüler an Krankheiten oder Allergien leiden, für die sie auch im Laufe des Tages unter Umständen medizinische Hilfe brauchen. Zudem sind die Schüler gerade in den Ganztagsbetreuungseinrichtungen sehr lange aus ihrer gewohnten familiären Umgebung herausgenommen und haben so tagsüber bei der medizinischen Versorgung oft keine Unterstützung durch Familienmitglieder.
  • Wie sollen die Schulen nun auf die geänderte Sachlage reagieren, was können Lehrkräfte zur Unterstützung tun und können die Lehrer1 sogar zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet werden? Ein aktuelles Rundschreiben des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung beantwortet anstehende Fragen.2
  • Wesentlich ist, dass die unter Anweisung übertragene Tätigkeit der Lehrperson der Amtshaftung unterliegen und der Lehrer, wenn er sich an die Vorgaben hält, nicht persönlich für einen Schaden haftbar gemacht werden kann.
  • Grundsätzlich werden drei Situationen unterschieden:
    1. Einfache Tätigkeiten, die auf einem Allgemeinwissen beruhen und von jedem medizinischen Laien erbracht werden dürfen. Die Ausübung solcher Tätigkeiten ist für Lehrkräfte verpflichtend.
    2. Tätigkeiten, die Ärzten vorbehalten sind. Gem. § 50a Ärztegesetz können solche ärztliche Tätigkeiten an einen medizinischen Laien übertragen werden, sofern er sich dazu bereit erklärt. Lehrpersonen können diese Tätigkeiten freiwillig übernehmen.
    3. Handeln in Notfallsituationen
  • Ad 1) Auf Allgemeinwissen beruhende Tätigkeiten, die von jedem medizinischen Laien erbracht werden dürfen
    Tätigkeiten, die Durchschnittsmenschen ohne besondere Einschulung durchführen können, sind für Lehrkräfte zumutbare Tätigkeiten, die zu ihren lehramtlichen Obliegenheiten im Sinne des § 211 BDG zählen. Sie gelten im Sinne der Aufsichtsführung als gesetzlich angeordnet. Sollte ein Schüler zu Schaden kommen, greift die Amtshaftung, d.h. es haftet nicht die Lehrperson, sondern die Republik. Zu diesen Tätigkeiten zählen z.B. das Überwachen der selbständigen Medikamenteneinnahme durch das Kind, das Erinnern an die Blutzuckermessung, das Holen ärztlicher Hilfe, das Erinnern an die Einnahme der Jause bei Diabeteserkrankung.
  • Ad 2) Ärztliche Tätigkeiten, die einer Übertragung durch den Arzt bedürfen
    Wenn es sich nicht um auf Allgemeinwissen beruhende Tätigkeiten handelt, kann ein Arzt/Schularzt im Einzelfall eine ärztliche Tätigkeit nach vorhergehender Anleitung an Lehrpersonen übertragen. Dazu gehören z.B. aktive Medikamentenverabreichung, Blutzuckermessung beim Kind, aktive Bedienung der Insulinpumpe, Handlungen an der Ernährungssonde.
    Die Entscheidung, ob eine solche Tätigkeit übertragen werden kann, liegt beim Arzt. Die Lehrperson darf die Übernahme dieser Tätigkeit ablehnen, da eine Übernahme nur freiwillig erfolgen kann, sodass dazu auch keine Weisung erteilt werden kann. Der betroffene Schüler sowie die Eltern müssen der Übertragung ebenfalls zustimmen. Sollte eine Lehrperson eine ärztliche Tätigkeit übernehmen, wird diese zur Dienstpflicht, sodass für einen Schaden nicht die Lehrperson haftet, sondern gemäß Amtshaftung die Republik Österreich. 
  • Achtung: Die Lehrperson muss sich an den Arzt wenden, wenn sie weiß oder wissen müsste, dass er eine Tätigkeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt ausführen kann.
  • Ad 3) Handeln im Notfall
    In medizinischen Notfällen trifft alle Lehrpersonen im Rahmen ihrer Dienstausübung die Verpflichtung zur Hilfeleistung (unterliegt auch der Amtshaftung). Die Tätigkeiten sind im Bereich der Erste-Hilfe-Leistung zu sehen und haben dort auch ihre Grenzen. Ein Unterlassen der Erste-Hilfe-Leistung bedeutet auch das Risiko der unterlassenen Hilfeleistung gem. § 95 StGB und stellt einen Straftatbestand dar.
  • Lediglich den Arzt zu verständigen ist nicht ausreichend, wenn weitere Maßnahmen zur Verfügung stehen und erkennbar ist, dass die Hilfe nicht rechtzeitig eintreffen wird. Beispielsweise kann die Verabreichung eines Notfallmedikamentes bei schweren allergischen Reaktionen, massiver Unterzuckerung oder bei epileptischen Anfällen lebensnotwendig sein. Die Lehrer sind bei betroffenen Kindern rechtzeitig von den Eltern zu informieren und müssen sich vorab über die Handhabung kundig machen (lehramtliche Obliegenheit). Die Gabe des Medikamentes im Notfall geschieht im Rahmen der Aufsichtsführung und unterliegt auch der Amtshaftung. Der Schularzt wird die Einschulung der Lehrer über die Handhabung eines Notfallmedikamentes in Absprache mit den Eltern vornehmen.
  • Für alle Fälle gilt, dass die Eltern die Geräte und Medikamente bereitstellen, warten und die Schule rechtzeitig informieren. Eine regelmäßige Kommunikation und gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten - Kind, Eltern und Lehrperson(en), Schularzt – ist zum Wohle des Kindes absolut notwendig.

[1] Personenbezogene Bezeichnungen gelten in gleicher Form für beide Geschlechter.

[2] Medizinische Laientätigkeit und Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Lehrpersonen, Verhalten im Notfall, Rundschreiben Nr. 13/2019 des BMBWF vom 28.08.2019

(Zuletzt aktualisiert: Oktober 2020)