Recht von A bis Z

Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung bei Schülern

  • Neben der Unterrichtstätigkeit, dem erzieherischen Wirken und den administrativen Erledigungen ist die Leistungsbeurteilung für die Lehrerinnen und Lehrer in Österreichs Schulen eine wesentliche Aufgabe und auch Teil der Dienstpflicht. Gerade in der Leistungsbeurteilung tun sich immer wieder Fragen auf, vor allem dann, wenn Zweifel, Kritik oder auch „Noteneinsprüche“ auftreten. Was sind nun im Überblick wesentliche Kriterien der Leistungsbeurteilung?
  • Die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen zur Feststellung und Beurteilung der Leistungen eines Schülers1 finden sich vor allem im 5. Abschnitt des Schulunterrichtsgesetzes „Unterrichtsarbeit und Schülerbeurteilung“ (ab §§ 17 ff SchUG) und in der Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO), die in Ausgestaltung der Bestimmungen im Schulunterrichtsgesetz erlassen wurde. Die rechtlichen Vorschriften unterscheiden einerseits die Leistungsfeststellung und andererseits die Leistungsbeurteilung.

Leistungsfeststellungen als Basis der Leistungsbeurteilung

  • Die Leistungsfeststellungen sind für den Lehrer die Basis, um eine Beurteilung der Schülerleistungen ermitteln zu können. Zudem sollen die Schüler zu einer sachlich begründeten Selbsteinschätzung geführt werden.
  • Von den Leistungsfeststellungen sind Informationsfeststellungen zu unterscheiden, die dem Lehrer nur zur Information dienen, in welchen Teilgebieten die Schüler die Lernziele erreicht haben und wo noch ergänzender Unterricht notwendig ist (§ 1 Abs. 2 LBVO). Diese sind vom Lehrer im Vorhinein als solche zu deklarieren und dürfen nicht in die Leistungsbeurteilung mit einbezogen werden.
  • Die Allgemeinen Bestimmungen betreffend der Leistungsfeststellung legen gem. § 2 LBVO fest, dass
    • der Leistungsfeststellung nur die im Lehrplan festgelegten Bildungs- und Lehraufgaben und jene Lehrstoffe zugrunde zu legen sind, die bis zum Zeitpunkt der Leistungsfeststellung in der betreffenden Klasse behandelt wurden,
    • die Leistungsfeststellungen möglichst gleichmäßig über den Beurteilungszeitraum zu erteilen sind,
    • die vom Lehrer jeweils gewählte Form der Leistungsfeststellung dem Alter und dem Bildungsstand der Schüler, den Erfordernissen des Unterrichtsgegenstandes, den Anforderungen des Lehrplanes und dem jeweiligen Stand des Unterrichtes anzupassen sind,
    • eine Leistungsfeststellung insoweit nicht durchzuführen ist, wenn feststeht, dass der Schüler wegen einer körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen kann oder durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet ist,
    • die Leistungsfeststellungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrern, Schülern und Erziehungsberechtigten Bedacht zu nehmen haben und zur sachlich begründeten Selbsteinschätzung hinführen sollen
    • die Feststellung der Leistungen der einzelnen Schüler in den Unterricht so einzubauen ist, dass auch die übrigen Schüler der Klasse aus der Leistungsfeststellung Nutzen ziehen können,
    • Leistungsfeststellungen während des Unterrichtes durchzuführen sind. Dies gilt nicht für Wiederholungs- und Nachtragsprüfungen. Schularbeiten für einzelne Schüler dürfen auch außerhalb des Unterrichtes nachgeholt werden.

Leistungsbeurteilung

  • Die Beurteilung der Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen hat der Lehrer durch
    • Feststellung der Mitarbeit der Schüler im Unterricht sowie durch besondere in die Unterrichtsarbeit eingeordnete
    • mündliche (§ 5 - 6 LBVO),
    • schriftliche (§ 7 - 8 LBVO) und
    • praktische (§ 9 LBVO)
      oder nach anderen Arbeitsformen ausgerichtete Leistungsfeststellungen zu gewinnen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes.2
  • Schularbeiten sowie schriftliche Überprüfungen wie Tests und Diktate als Leistungsfeststellung dürfen gem. § 3 LBVO nie für sich allein oder gemeinsam die alleinige Grundlage einer Semester- bzw. Jahresbeurteilung sein. Zusätzlich zur Mitarbeit und zu den lehrplanmäßig vorgeschriebenen Schularbeiten dürfen nur so viele mündliche und schriftliche Leistungsfeststellungen vorgesehen werden, wie für eine sichere Leistungsbeurteilung für ein Semester oder für eine Schulstufe unbedingt notwendig ist. Zudem sind die genannten Formen der Leistungsfeststellung als gleichwertig anzusehen, die Anzahl, der stoffliche Umfang und der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Leistungsfeststellungen sind jedoch mit zu berücksichtigen.
  • Der Lehrer ist nur mehr verpflichtet, auf Wunsch des Schülers eine mündliche Prüfung pro Semester durchzuführen (§ 5 Abs. 2 LBVO). Damit ist der formale Grund, bei einer bevorstehenden Semester- oder Jahresbeurteilung mit "Nicht genügend" eine mündliche Prüfung selbst in aussichtslosen Fällen durchführen zu müssen (auch gegen den Willen des Schülers), weggefallen. Folglich ist lt. Erkenntnis des BVwG die schon früher unrichtige Auffassung, es handle sich hier um eine "Entscheidungsprüfung", jedenfalls nicht gegeben.3
  • Bei den Beurteilungen der Leistungen eines Schülers in einem Unterrichtsgegenstand für eine ganze Schulstufe hat der Lehrer gem. § 20 LBVO alle vom Schüler im betreffenden Unterrichtsjahr erbrachten Leistungen zugrunde zu legen, wobei dem zuletzt erreichten Leistungsstand das größere Gewicht beizumessen ist. Dabei sind die fachliche Eigenart des Unterrichtsgegenstandes und der Aufbau des Lehrstoffes zu berücksichtigen.
  • Die tatsächlich erbrachte Leistung des Schülers zählt
  • Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Grundlage der Leistungsbeurteilung ausschließlich die Leistung des Schülers.4 So ist das Vorbringen einer Beschwerdeführerin am Bundesverwaltungsgericht (BVwG), sie sei im Schuljahr psychisch und gesundheitlich beeinträchtigt gewesen, als ohne Auswirkung auf die Leistungsbeurteilung gesehen worden.
  • Auf den Gesundheitszustand von Schülern ist im Zusammenhang mit Leistungsfeststellungen nur in dem durch § 18 Abs. 6 SchUG und § 2 Abs. 4 LBVO gezogenen Rahmen Bedacht zu nehmen: eine Leistungsfeststellung ist insoweit nicht durchzuführen, als feststeht, dass der Schüler wegen einer körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen kann oder durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet ist.

Noten sind Gutachten

  • Die Noten, die in der Leistungsbeurteilung durch den Lehrer vergeben werden, sind in verkürzter Form zum Ausdruck gebrachte Sachverständigengutachten.5 Wie bei jedem Gutachten muss der Beurteilung des Sachverhaltes dessen Erhebung (u.a. durch Leistungsfeststellungen) vorangehen. Die Beurteilung in einzelnen Pflichtgegenständen kann nicht beeinsprucht werden, sondern gem. § 71 SchUG durch das Widerspruchsverfahren nur die im Zeugnis beurkundeten Entscheidungen.6 Daher sind Widersprüche gegen die Benotung in einem konkreten Gegenstand nicht vorgesehen und nicht zulässig.

Beurteilungsstufen – positiv, wenn überwiegend erfüllt

  • Für die Beurteilung der Leistungen der Schüler bestehen folgende Beurteilungsstufen (Noten): Sehr Gut (1), Gut (2), Befriedigend (3), Genügend (4), Nicht genügend (5). Mit "Genügend" sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in den wesentlichen Bereichen „überwiegend erfüllt“. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem üblichen Sinn des Wortes bei „überwiegend erfüllt“ stets "mehr als 50 Prozent bzw. mehr als die Hälfte" zu verstehen.7 Siehe dazu auch den Artikel „Der Weg zum Verwaltungsgericht“ in gymnasium 7/8 2019, 12 – 13.
  • Zum Zweck der Vorbereitung auf die abschließende Prüfung in standardisierten Prüfungsgebieten können gem. § 7 Abs. 8a LBVO bei der Durchführung von Schularbeiten oder von Teilen derselben vom Bundesministerium für Bildung empfohlene standardisierte Testformate zur Anwendung kommen. In diesen Fällen haben die Korrektur und die Beurteilung der erbrachten Leistungen nach Maßgabe der den standardisierten Testformaten zugehörigen Korrektur- und Beurteilungsanleitungen zu erfolgen. Die Beurteilung einer Schularbeit nach einem standardisierten Testformat hat jedenfalls im Einklang mit § 14 LBVO zu stehen.8
  • Die Rechtsprechung hat schon mehrfach festgehalten, dass die Leistungsbeurteilung eine pädagogische gutachterliche Tätigkeit darstellt und keine mathematische Rechenaufgabe. Es bestehen allerdings seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Bedenken, hilfsweise, im Sinne einer größtmöglichen Transparenz, zur Umsetzung des § 14 LBVO ein Punkteschema zu verwenden, wenn dieses Punkteschema den Vorgaben der LBVO zur Erstellung dieses in verkürzter Form zum Ausdruck gebrachten Gutachtens entspricht.9

Frühwarnung hat ausschließlich Informationscharakter

  • Wenn die Leistungen eines Schülers auf Grund der bisher erbrachten Leistungen in einem Pflichtgegenstand zum Ende eines Semesters mit "Nicht genügend" zu beurteilen wären ist dies gem. § 19 Abs. 3a SchUG den Erziehungsberechtigten ab November bzw. ab April unverzüglich mitzuteilen. dem Schüler sowie den Erziehungsberechtigten ist vom Klassenvorstand oder vom unterrichtenden Lehrer Gelegenheit zu einem beratenden Gespräch zu geben. Dabei sind insbesondere Fördermaßnahmen zur Vermeidung dieser negativen Beurteilung (z.B. Analyse der Lerndefizite unter Einbeziehung der individuellen Lern- und Leistungsstärken, Fördermöglichkeiten, Förderunterrichtsangebote, Leistungs-nachweise) zu erarbeiten und zu vereinbaren.
  • Es besteht Einhelligkeit in der ständigen Rechtsprechung, dass die Verständigungen gemäß Abs. 3a ausschließlich Informationscharakter (§ 19 Abs. 7 SchUG) haben und eine negative Beurteilung trotz fehlender Frühwarnung rechtlich möglich ist. Es sind nämlich die vom Schüler im betreffenden Unterrichtsjahr tatsächlich erbrachten Leistungen des Schülers für eine auf das Unterrichtsjahr bezogene Leistungsbeurteilung des Schülers maßgeblich.10 So können auch nicht möglicherweise erbrachte Leistungen bei rechtzeitiger Information in die Leistungsbeurteilung miteinbezogen werden, denn dies würde die Berücksichtigung eines Aspektes bedeuten, der nicht berücksichtigt werden darf (z.B. mögliche Fördermaßnahmen und damit prognostisch gesehen eventuell verbesserter Leistungsstand).

Weisungsgebundenheit der lehramtlichen Tätigkeit

  • Der Lehrer hat in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) zu erfüllen (§ 17 SchUG). In seinen Aufgaben bleibt der Lehrer seinen Vorgesetzten (z.B. Schulleiter, Schulaufsicht,...) gegenüber immer weisungsgebunden. Weisungsfrei agiert der Lehrer hingegen in seiner Tätigkeit, wo er als Gutachter tätig ist, z.B. in der Leistungsbeurteilung, als Mitglied der Prüfungskommission oder einer Gutachterkommission.11 Als Lehrer bleibt er immer in der Hoheitsverwaltung des Bundes tätig, unabhängig davon, ob er öffentlich Bediensteter ist oder in privatrechtlichem Vertrag mit dem Bund steht. Somit greift für die lehramtliche Tätigkeit des Lehrers auch die Amtshaftung, sodass Ansprüche aus rechtswidrigem oder schuldhaftem Verhalten in Vollziehung der Gesetze nicht gegen den Lehrer, sondern gegen den Bund zu richten sind.12

Das Thema Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung kann in einem Übersichts-Artikel nicht erschöpfend behandelt werden. Es ist ratsam, sich die detaillierten Ausführungen im SchUG und in der LBVO von Zeit zu Zeit genauer in Erinnerung zu rufen. Sie haben auf alle geltenden Rechtsvorschriften sowie auf die Judikatur online unter https://www.ris.bka.gv.at freien Zugriff.

[1] Personenbezogene Bezeichnungen gelten in gleicher Form für beide Geschlechter.

[2] § 18 Abs. 1 SchUG.

[3] BVwG vom 1.9.2014, W203 2011190-1.

[4] Vgl. VwGH vom 16.12.1996, 96/10/0095, BVwG vom 05.09.2018, W128 2201849-1/4E.

[5] Vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 1 zu § 1 LBVO sowie BVwG vom 05.09.2018, W128 2201849-1/4E.

[6] BVwG vom 1.9.2014, W203 2011190-1. Vgl. auch Jonak/Kövesi, FN 1 zu § 18 SchUG und FN 8 zu § 71 SchUG.

[7] Vgl.  BVwG vom 25.08.2014, W128 2010227-1, auch VwGH vom 13.03.2002, 98/12/0453; vom 24.09.2008, 2006/15/0001; vom 21.02.2005, 2004/17/0010; insb. auch vom 09.07.1991, 90/12/0104.

[8] BVwG vom 25.08.2014, W128 2010227-1.

[9] BVwG vom 05.09.2018, W128 2201849-1/4E.

[10] BVwG vom 25.08.2014, W128 2010227-1.

[11] Vgl. Juranek, Markus, Das österreichische Schulrecht, 2016, 77.

[12] Vgl. Jonak/Kövesi, FN 4 zu § 17 SchUG.

(Zuletzt aktualisiert: Oktober 2020)